Die Münchner Akademie der Zwanziger Jahre

Um 1900, als München nach außen hin leuchtete, war es mit der schönen Eintracht der Münchner Künstler, wie sie noch zwanzig Jahre zuvor bestanden hatte, vorbei. Die Gegensätze zwischen der älteren Generation der etablierten Akademieprofessoren und den Jungen brachen deutlich hervor. Als Anklage gegen die zopfigen Verhältnisse an der Akademie verfaßte Wilhelm Trübner seine Streitschrift „Über das Kunstverständnis von heute". Der „Münchner Kunstkrach", wie ihn die Feuilletons der Zeitungen nannten, war da. Die Künstlergruppe „Sezession" wurde gegründet. Bedeutende Sezessionisten wie Slevogt, Liebermann, Corinth verließen München und gingen nach Berlin.

Im Jahre 1923 erging eine Verordnung des bayerischen Ministerrats, daß alle über fünfundsechzigjährigen Akademieprofessoren „aus Ersparnisgründen" in den Ruhestand versetzt werden sollten. Bei Hugo v. Habermann d. Älteren, der damals 74 Jahre alt war, machte man eine Ausnahme. Der Grund war wohl seine künstlerische Dominanz unter den Kollegen.

Es wäre also zu diesem Zeitpunkt Gelegenheit gewesen, an der Münchner Akademie der Moderne Raum zu geben und an die europäische, vor allem französische Entwicklung der Kunst anzuknüpfen. Starke, junge Talente standen zur Verfügung, etwa Kandinsky, Klee, Kanold. Aber eine Verjüngung der Akademielehrer gelang nicht. Einerseits wurde die Neubesetzung der frei gewordenen Stellen nur halbherzig betrieben, andererseits zog es die jungen Künstler weg in andere Städte, etwa an das Bauhaus in Weimar oder an die Düsseldorfer und Karlsruher Akademien, wo der Blick nach Frankreich freier als in München und der Boden schon länger vorbereitet war, daß aus ihm Neues entstehe.

Allgemein ging die Tendenz der jungen Kunst weg von den Überlieferungen und Kunsttraditionen, weg vom Atelierbetrieb der Meister, weg vom akademischen Lehrwesen, weg von der regionalen und nationalen Einengung. Statt dessen fanden sich die jungen Künstler in freien Gruppen und Künstlerkolonien zusammen, oft auf dem Lande, wie der Dachauer Kreis oder der Murnauer des „Blauen Reiter".

Die Akademie München hatte in den späten zwanziger Jahren ihre Chance, an der Europäischen Moderne teilzuhaben, vertan. Habermann war diese Stagnation der Münchner Akademie voll bewußt. Er blieb nur des Onkels wegen. Als der aber 1929 starb, brach Habermann sofort sein Studium in München ab. Hier sei nichts mehr zu lernen, sagte er.

Für Habermann war jetzt der Entschluß gereift, Maler zu werden und ein Kunststudium an der Münchner Akademie, natürlich in der Klasse des verehrten Onkels, zu beginnen. Das Landwirtschaftsstudium brach er kurzer Hand ab.

Habermanns künstlerische Neigung war lange aufgestaut gewesen und machte sich jetzt heftig Luft. Er war ein äußerst eifriger und lernbegieriger Kunststudent. Sein Talent war offensichtlich.

Der Onkel führte ihn behutsam. Er ließ ihn sich zunächst in der sicheren Zeichnung üben, in der stimmigen Form und ausdrucksvollen Linie. Seine Arbeiten sind frisch, dynamisch, sicher und kraftvoll.

Schrittweise führte der Ausbildungsweg von der reinen Grafik über die kolorierte Zeichnung zum Aquarell und schließlich zur farbigen Komposition. Bereits 1925 war Habermann mit zwei Gemälden bei der Jahresausstellung im Glaspalast vertreten. Habermann nahm begierig und rasch auf, was an der Akademie zu lernen war. Doch der hervorragende Ruf der Münchner Akademie der Bildenden Künste, den Ludwig I. begründet hatte und den auch seine Nachfolger bis zur Jahrhundertwende förderten, verfiel nach dem Ende des 1. Weltkrieges nahezu ganz.