Umwege

Man kann sich leicht vorstellen, daß die berühmte Person des Onkels dem jungen Habermann zum Vorbild werden konnte. Einstweilen aber galt es, die Schulzeit hinter sich zu bringen. Er besuchte verschiedene Schulen im Unslebener Kreis und auch in München, wo die Eltern in der Barerstraße eine Stadtwohnung hatten. Seine Erfolge waren überall die selben: dem hübschen, liebenswürdigen aber allzu nachlässigen Knaben mußten leider die fatalsten Zeugnisse ausgestellt werden. Habermann verachtete die Schule zutiefst. So meldete er sich 1917 als Freiwilliger zum Kriegsdienst, obwohl er vom Wesen her —anders als seine Vorfahren — keineswegs ein geborener Soldat war.

Der Achtzehnjährige erlebte die letzten Monate des Krieges gegen Rußland als Fahnenjunker eines Reiterregiments auf der Krim. Als er erst im Frühsommer 1919 auf langem Heimweg aus Rußland nach München zurückkehrte, herrschten hier die verworrensten politischen Verhältnisse. Die Münchner Revolution war in ihre letzte Phase getreten. Nachdem die Regierung aus Deutschnationalen und dem gemäßigten rechten Flügel der SPD nach Bamberg ins „Exil" geflohen war, war in München die Räterepublik ausgerufen worden. Die Bevölkerung litt unter Hunger und Angst vor den ständig wechselnden und gewaltsamen Machtorganen. Vom Oberland her formierten sich Freicorps, um der Herrschaft der Räte ein Ende zu machen. Die Bamberger Regierung beauftragte ehemalige Offiziere zur Aufstellung von Hilfstruppen, den sog. Weißgardisten. Zu ihnen stießen viele Kriegsheimkehrer, die noch nicht ganz abgelöst vom Soldatendasein und auch noch nicht wieder ganz zu Hause waren. So auch der zwanzigjährige Habermann. Im Freicorps des Obersten Ritter von Epp war er dabei, als in den ersten Maitagen 1919 die Weißgardisten München eroberten.

Winter
Winter / 1924 / Feder, farbige Lasur

Habermann kehrte nach Unsleben zurück. Aber auch hier zwangen sich ihm weiterhin die Entscheidungen seine Zukunft betreffend von außen her auf.

Unmittelbar nach seiner Heimkunft 1919 starb sein Vater. Das väterliche Erbteil ging auf Habermann und seinen Bruder Philipp über. Das hieß vor allem die Verwaltung und Führung von Schloß und Gut Unsleben, zu dem auch eine Brauerei, etliches Pachtland und andere Institutionen gehörten. Das verlangte Sachkenntnisse und professionelle Ausbildung. Onkel Hugo schied von vornherein aus. Bruder Philipp studierte Jura in München, also war es naheliegend, daß Habermann ein Landwirtschaftsstudium absolvieren sollte, um die Führung des Gutes zu seinem Beruf zu machen. Zwei Jahre widmete er sich halbherzig diesem Familienbeschluß. Immer wieder zog ihn seine Neugierde am kulturellen und großstädtischen Leben nach München. Hier lernte er 1922 Ruth Freiin v. Herman auf einem Faschingsball kennen und heiratete sie noch im selben Jahr. Die Schwiegermutter sicherte die Finanzierung des jungen Paares.

Landarbeit
Landarbeit / 1923 / Feder, Lasur
An der Straße / 1923 / Feder, farbige Lasur

Für Habermann war jetzt der Entschluß gereift, Maler zu werden und ein Kunststudium an der Münchner Akademie, natürlich in der Klasse des verehrten Onkels, zu beginnen. Das Landwirtschaftsstudium brach er kurzer Hand ab.

Habermanns künstlerische Neigung war lange aufgestaut gewesen und machte sich jetzt heftig Luft. Er war ein äußerst eifriger und lernbegieriger Kunststudent. Sein Talent war offensichtlich.

Der Onkel führte ihn behutsam. Er ließ ihn sich zunächst in der sicheren Zeichnung üben, in der stimmigen Form und ausdrucksvollen Linie. Seine Arbeiten sind frisch, dynamisch, sicher und kraftvoll.

Schrittweise führte der Ausbildungsweg von der reinen Grafik über die kolorierte Zeichnung zum Aquarell und schließlich zur farbigen Komposition. Bereits 1925 war Habermann mit zwei Gemälden bei der Jahresausstellung im Glaspalast vertreten. Habermann nahm begierig und rasch auf, was an der Akademie zu lernen war. Doch der hervorragende Ruf der Münchner Akademie der Bildenden Künste, den Ludwig I. begründet hatte und den auch seine Nachfolger bis zur Jahrhundertwende förderten, verfiel nach dem Ende des 1. Weltkrieges nahezu ganz.